Mira Klug
2021 – 2022
Fotoemulsion auf marmorbeschichtetem Sandstein
je 15 x 15 cm
Ein abstraktes Muster ziert den Stein. Nur vage sind Bilder zu erkennen, Schatten von Bäumen. Es handelt sich um ephemere Fassadenbilder, die Mira Klug am liebsten direkt von den Hauswänden abnehmen würde, Schicht für Schicht, einer Archäologin gleich. Die immanente Vergänglichkeit umgehend, versucht sie diese alltäglichen Bilder zu konservieren.
Die Aufnahmen der Pflastersteine zeigen flüchtige Gesten der Natur. Sie stammen aus der Per-Albin-Hansson-Siedlung, dem ersten großen Wohnbauprojekt der Stadt Wien nach dem Zweiten Weltkrieg. Zur Errichtung der Anlage stellte Schweden Maschinen zur Verfügung, die aus Schutt der zerstörten Häuser neue Mauersteine fertigten.
Im Gegensatz zu vielen Gemeindebauten sind an den Fassaden kaum Mosaike oder Reliefs zu finden, dafür schmücken ausgedehnte Grünflächen die Siedlung. Klug erkennt die ornamentale Qualität der Schatten der Bäume auf den Wänden und fotografiert das Zusammenspiel von Natur und Architektur. Mit Fotoemulsion bringt sie die Aufnahmen auf die Oberfläche von Steinen.
Ein Vanitasmotiv zeigt sich subtil zwischen Gesteins- und Bildebene: der vergängliche Schatten, den die Sonne erzeugt; der unsichtbare Schatten der Geschichte, der im Alltag vorhanden aber schwer wahrnehmbar ist. Der Stein wird als Pflaster hervorgehoben, das Besserung und Erneuerung verspricht.
Die dreidimensionalen Objekte können immer wieder neu ornamental zusammengesetzt werden. Sammeln, Ordnen, Verschieben, Neuordnen. Wie in einer Ausgrabungsstätte bringt Klug die Fassadenbilder zu Boden. Mit unbedarfter Neugierde betrachten wir die flüchtigen Aufnahmen in ihrer figurativen Ursprünglichkeit.
Text: Michaela Obermair