“Vor der Photographie” ist von 15. März 2022 bis 3. April in Wien. In den 3 Wochen werden 3 Ausstellungen mit je 3 Künstler*innen zu sehen sein.

Reflecting on RGB

Johannes Raimann

2017 – 2021

each 30,6 x 22,1 cm

photo paper on mirror

Reflection is the focal point where photography and thought meet. Reflection is a quality of any surface. Endless light beams have the potential to change their direction. I see myself. I know myself. I produce an image. I produce my image. My image is light – My thoughts are beams. My structure is fragmentary – I understand it. It‘s substance is light. I‘m the echo chamber. All along light, substance and technology … 

Petzval_01

Johannes Raimann

2019

glas engraved

100 x 75 cm

Petzval 01 beschäftigt sich mit der wichtigsten Erfindung von Josef Petzvaal. Seine bekannteste Erfindung ist das Petzval-Objektiv (1840). Mit diesem Objektiv war es zum ersten Mal möglich Belichtungszeiten von unter einer Minute zu realisieren. Für die frühe Portraitfotografie war dies der entscheidende Durchbruch. Petzval gelang dies, indem er zum ersten Mal ein Objektiv berechnen ließ. Hierfür heuerte er ein Dutzend Artilleriekanoniere an. Diese waren geübt im Lösen von Differenzialgleichungen zum Berechnen von Ge­schoss­bahnen. Die Herstellung dieses Objektivs übernahm der wiener Optiker Peter Wilhelm Friedrich von Voigtländer unter Zuhilfenahme einer von Joseph von Fraunhofer entwickelten Technik zu Berechnung von Lichtbrechungseigenschaften. Ich halte dieses Objektiv aus mehreren Gründen für bemerkenswert: Zum einen zeigt es wie die Wissenschaft, die Kunst und das Militär über panoptische (Michel Foucault) Techniken miteinander verknüpft ist, und zum anderen ist es ein Zeugnis einer technisch-kulturellen Wende, die unsere Sehgewohnheiten für immer verändert hat.

Das Objektiv ist für mich aber auch als Objekt interessant. Mein besonderes Interesse gilt dem Aspekt der Sichtbarkeit (physikalisch wie philosophisch betrachtet). Die Unsichtbarkeit des Objektivs ist die Bedingung für ein gelungenes Foto. Objektiv sein bedeutet keine Perspektive einzunehmen. Insofern ist das Objektiv alles andere als objektiv. Wer sichtbar ist verbirgt seinen Hintergrund. Was unsichtbar ist verbirgt sich selbst. Es zeigt sich, dass das Objektiv einen dialektischen Bezug zur (Un-)Sichtbarkeit hat. Die mathematischen Berechnungen ermöglichten, dass Objektive immer unsichtbarer wurden. Das fotografische Bild scheint Fakten einzufangen. Gleichzeitig ist es ein Produkt spezifischer ökonomischer, politischer und intellektueller Produktion.

Autofokus Modi der Nikon D800

Bastian Schwind

2020

steel measuring points, MDF, acrylic glas

40 cm x 50 cm (framed)

Die Messpunkte, die zur digitaltechnischen Kontrolle des Bildes im Sucher einer Nikon D800 erscheinen, werden in der gleichnamigen Arbeit ganz materiell ins Bild gesetzt, als Messpunkte aus Edelstahl, die man zur Geländevermessung benutzt. Die digitale und virtuelle Oberfläche im Sucher und auf dem Display der Kamera wird hier ästhetisch und ganz materiell in das Bild zurückübersetzt, mit den sonst unscheinbaren Metallpunkten, die auf dem dem Bürgersteig die unsichtbare Ordnung des Raumes anschaulich werden lassen.

aus: Nicolas Oxen “Dynamiken eines fotografischen Materialismus”

Skin Picking

Mira Klug

2020

Mandarinenhaut auf Opalglas

21cm x 14,5 cm

Omnigram_3x3

Robert Bodnar in Zusammenarbeit mit: Marek Bozuk / Alexander Meiksner

2019

Maße variabel

Omnigrafie:
Alles ist Zeichen. Und dementsprechend lässt sich alles zeichnen – gr.: omni graphein. Sprich, die Omnigrafie versucht (nebst einer methodischen Operationalisierung der Phantasie für Zwecke der Wissenschaft) eine Umkehr des klassischen künstlerischen Prozesses zu bewerkstelligen: anstatt ein einzelnes konkretes Werk mit gewissen verwendeten Zeichen zu erfinden, konstruiert die Omnigrafie auf kombinatorischem Wege alle möglichen Werke einer bestimmten Zeichengruppe.

An diesem Punkt angelangt, fangen nun die Probleme an. Weder lassen sich vollständige Mengen auch nur einer halbwegs größeren Gruppe von Zeichen tatsächlich konstruieren, da die permutierten Kombinationen schier ungeheure Ausmaße erreichen (Zahlen-Größenordnungen wie die vielfache Anzahl aller Atome des Universums sind keine Seltenheit), noch können wir sinnvolle Kombinationen von „unsinnigen“ ohne weiteres unterscheiden: der Großteil aller möglichen Kombinationen ist vmtl. eher eine Art „Zeichenmüll“ als etwas, das wir als Werk bzw. Objekt bezeichnen würden. So wäre ein vollständiges Omnigramm eines z.B. herkömmlichen Fotos, also alle möglichen Pixel-Kombinationen eines Fotos, nicht nur jenseits der Berechenbarkeit (transcomputational), sondern der Großteil der konstruierten Fotografien würde wahrscheinlich dem weißen Rauschen eines Fernsehers entsprechen bzw. etwas Ähnlichem. Nichtsdestotrotz würde sich auch das Porträt jedes Menschen, also aller vergangenen, gegenwärtigen, zukünftigen und nie existierenden Menschen, in der Gesamtmenge befinden und das in allen erdenklichen Variationen – allerdings ohne einfach so „auffindbar“ zu sein.